3 Amtsärzte im Interview des Ärzteblattes
Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat vor dem Hintergrund der hohen Flüchtlingszahl 94 neue Arztstellen im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) geschaffen. Gesundheitsministerin Melanie Huml betonte: „Wir brauchen mehr Mediziner im Staatsdienst“.
Gut so, meint Dr. Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer und mahnte zum Jahresbeginn, dass der ÖGD für Nicht-Krisenzeiten ausgerichtet sei und nicht genug Ressourcen für eine reibungslose Flüchtlingsversorgung habe: „Der ÖGD kann diese Aufgabe nur zufriedenstellend lösen, wenn er über ausreichend personelle Reserven verfügt“, ist Kaplan überzeugt. Nur dann könnten alle Flüchtlinge schnell untersucht und geimpft werden. Der ÖGD werde regelmäßig von der Politik für seine Verdienste um Gesundheitsschutz, Prävention und Gesundheitsmanagement gelobt. Ihm würden aber von Bund und Ländern immer neue Aufgaben übertragen. „Andererseits fällt es dem ÖGD aufgrund des chronischen Personalmangels immer schwerer, schon seine Kernaufgaben, wie Einschulungs- oder Schulentlassungsuntersuchungen zu erfüllen“, so Kaplan. Der Deutsche Ärztetag hatte bereits 2014 eine adäquate ärztliche Personalausstattung in den Gesundheitsämtern, die Aufwertung des Fachs „Öffentliches Gesundheitswesen“ in der medizinischen Ausbildung sowie eine angemessene Bezahlung der im ÖGD tätigen Ärztinnen und Ärzte gefordert.
Die Redaktion fragte bei drei Amtsärzten, die im ÖGD in leitender Position tätig sind, nach:
Warum sind Sie Arzt im ÖGD geworden?
Breu: Schon zu meinen Chemie- und Medizinstudienzeiten beeindruckten mich Umweltmedizin und Gesundheitsförderung. Der ÖGD erlaubte mir, neben der beruflichen Leidenschaft noch Zeit für
Familie, Sport und Freizeit aufzubringen.
Strauch: Während Praktika im Gesundheitsamt habe ich das breite Wirkungsfeld eines Arztes im ÖGD kennengelernt: Schulgesundheitspflege, Umweltmedizin und Trinkwasserhygiene, Hygiene in
öffentlichen Einrichtungen, meldepflichtige Erkrankungen, Sozialpsychiatrie etc.
Schweitzer: Das vielfältige, interessante und verantwortliche Aufgabenspektrum des ÖGD, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Überzeugung, durch Engagement, Kompetenz
und bürokratische Hemmnisse überwindende Zusammenarbeit, für viele Menschen Positives bewirken zu können, waren für mich ausschlaggebend.
Welches sind die Aufgaben, die Ihnen besonders zusagen?
Breu: Meine Schwerpunkte ändern sich mit den Anforderungen: von Umwelt- und Seuchenhygiene über Prävention, Politikberatung bis zur Gesundheitsversorgung – ein breites Spektrum!
Strauch: Es ist das breite Aufgabenfeld, das die Tätigkeit im ÖGD so interessant macht. Neben den genannten Aufgaben spielen inzwischen Prävention und Gesundheitsförderung eine wichtige
Rolle.
Schweitzer: Aufgaben, die zum Erkennen wichtiger Problemstellungen des öffentlichen Gesundheitsschutzes beitragen und deren nachhaltige Lösung mit vorantreiben. Die Elemente der hierfür
situativ einsetzenden Strategien reichen von Sensibilierungs-, Beratungs- und Überzeugungsbemühungen bis hin zu kontrollierenden und intervenierenden behördlichen Aktivitäten.
Was gefällt Ihnen weniger gut in Ihrem Job?
Breu: Der Staat sichert mich breit ab, nur die Besoldung bedarf einer zukunftsfähigen Anpassung.
Strauch: Verantwortlichkeit für Dinge, auf die man selber keinen Einfluss hat: So mussten wir seit mindestens 25 Jahren zuschauen, wie in allen Professionen ein als brutal zu
bezeichnender Stellenabbau durchgesetzt wurde. Noch heute würde sich jeder Unternehmensberater über den Zuständigkeitswirrwarr verschiedener für die Gesundheitsämter zuständiger Ministerien
„freuen“.
Schweitzer: Die Diskrepanz zwischen kontinuierlich zunehmenden Aufgaben und zur Verfügung stehender Personalressourcen, die teils nur im Zusammenhang mit Sonderereignissen kurzzeitig
artikulierte Wertschätzung des ÖGD, sowie das bedauerlicherweise noch weithin verbreitete Image vermeintlich realitätsferner, behäbiger und Paragrafen höriger „Schnarchzapfen“ sind Aspekte, die
zweifelsohne zur kritischen Reflexion des gewählten Berufes herausfordern.
Würden Sie jungen Ärztinnen und Ärzten raten, zum ÖGD zu gehen und wenn ja/nein, warum?
Breu: Junge Kolleginnen und Kollegen profitieren von der Work-Life-Balance des ÖGD und der Vielfältigkeit der Aufgaben und Gestaltungsmöglichkeiten.
Strauch: Dennoch kann ich jungen Ärztinnen und Ärzten guten Gewissens zu einer Tätigkeit im ÖGD raten. In der Regel gibt es keine regelmäßigen Dienste nachts und an Wochenenden und Beruf
und Familie lassen sich sehr gut verbinden.
Schweitzer: Die Aufgaben- und Tätigkeitenvielfalt des ÖGD, seine enorm wichtige Bedeutung für die öffentliche Gesundheit und die Vorzüge weitestgehend geregelter, familienfreundlicher
Arbeitszeiten sind für mich Gründe, jungen Kolleginnen und Kollegen eine Tätigkeit im ÖGD zu empfehlen. Wichtige Voraussetzungen allerdings sind Engagement, die Fähigkeit und Bereitschaft,
Probleme zu erkennen, aufzugreifen und einer Lösung zuzuführen, Kommunikationsfähigkeit, Dialogbereitschaft, zweifelsohne Standvermögen und eine Portion Frustrationstoleranz. Letztendlich sind es
Kompetenz, Offenheit, Menschlichkeit, Kooperationsbereitschaft und die Überzeugung, Positives in unserer Gesellschaft bewirken zu wollen und zu können, die die individuellen Prüfkriterien für
eine Entscheidung für den ÖGD bilden sollten.